Spezialseminar zur Missbrauchskrise in der Katholischen Kirche
26. bis 28. November 2021
„Besser spät als nie“, sagte Studienleiterin Isolde Fugunt in der Begrüßungsrunde des Spezialseminars. Im ifp hat nun erstmals ein Seminar die Aufarbeitung der Missbrauchskrise in der Katholischen Kirche behandelt. Seitdem die Missbrauchsfälle am Berliner Casinius-Kolleg 2010 bekannt wurden, schaut die Öffentlichkeit auf die Katholische Kirche und darauf, wie sie mit den Fällen umgeht.
Wer die Aufarbeitung verfolgt, wird sehen, dass zahlreiche Studien Ausmaß und Ursachen von Missbrauch aufzeigen. Der Aufschrei ist groß, wenn Verantwortliche eine Studie zurückhalten - wie Anfang 2021 im Erzbistum Köln passiert. Auf der anderen Seite stehen die Betroffenen von Missbrauch, die sich in Initiativen organisieren, Schadensersatz und Aufklärung fordern, aber in vielen Fällen unzufrieden mit der katholischen Kirche sind und bleiben. Herausfordernd wird es für Journalistinnen und Journalisten, wenn sie mit der Logik des Kirchenrechts konfrontiert werden. Rechtlich wertete die katholische Kirche Missbrauch bisher lediglich als Verstoß gegen den Zölibat, also die Pflicht katholischer Priester, sexuell enthaltsam zu leben. Dies ändert sich erst jetzt, im Dezember 2021, durch eine Neufassung des kirchlichen Gesetzbuches, dem Codex Iuris Canonici (CIC). Selbst diese Reform des kirchlichen Strafrechts geht einigen Fachleuten nicht weit genug.
So eindeutig und klar die Vorwürfe sind, so vielschichtig und verschachtelt verläuft die Aufarbeitung. Das Seminar sollte verständlich machen, an welchem Punkt die katholische Kirche heute steht. Teilgenommen haben 16 Journalistinnen und Journalisten in Ausbildung. In fünf Gesprächsrunden wurden die Verstrickungen aufgedröselt. Folgende Gäste hielten Vorträge und beantworteten in Hintergrundgesprächen Fragen:
• Yves Kingata, Professor für Kirchenrecht an der LMU München
• Daniel Deckers, Journalist der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Leiter des Ressorts „Gegenwart“
• Friederike Beck und Jana Charlet aus dem Arbeitsstab des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs
• Matthias Katsch, Sprecher der Betroffenen-Organisation „Eckiger Tisch“
• Peter Beer, bis 2019 Generalvikar des Erzbischofs von München und Freising und heute Professor an der Päpstlichen Universität Gregoriana
Die Gesprächsgäste bewerteten die Aufarbeitung sehr unterschiedlich. Resignierende, wütende, energische, nüchterne, optimistische, aber auch sehr persönliche Beiträge füllten diesen Seminar-Samstag.
Veronika Wawatschek (auf dem Foto rechts), ifp-Absolventin und Journalistin beim Bayerischen Rundfunk, begleitete das Seminar als Referentin. Zum Einstieg hörten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihr preisgekröntes Feature zum Missbrauchsskandal. In der Schlussrunde gab sie den Auftrag, zentrale Erkenntnisse in einer Nachrichtenminute zusammenzufassen. Die verschiedenen Nachrichtenminuten bildeten die Grundlage für die Abschlussdiskussion über die Art und Weise, wie Journalistinnen und Journalisten über den Missbrauchsskandal berichten können.
Text: Thomas Degkwitz, Fotos: Carlotta Diederich, Verantwortlich: Isolde Fugunt, Dezember 2021