"Damit der Journalismus nicht vor die Hunde geht"
Mehr Selbstbewusstsein wünscht sich Thomas Sternberg von den Journalisten in Deutschland. Statt allein auf Quoten und Klickzahlen zu achten, sollten diese selbstbewusst Wertentscheidungen darüber treffen, was wie berichtet werden müsse und was eben nicht. „Sonst geht der Journalismus vor die Hunde“, sagte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), am 30. Januar 2017 vor mehr als 50 Gästen beim Görres-Abend in der katholischen Journalistenschule ifp in München.
Sternberg sprach sich für weniger Bauchgefühl und mehr rationale Analyse in den gesellschaftlichen Debatten aus. Die öffentliche Kommunikation werde immer stärker von Emotionen und Ängsten dominiert, Meinen und Fühlen seien mittlerweile wichtiger als Fakten, kritisierte er.
Grund dafür ist laut Sternberg ein verändertes Verständnis von Wirklichkeit. „Heute ist es völlig normal, dass jegliche Wahrheiten als relativ betrachtet werden“, sagte der ZdK-Präsident. Nicht zuletzt die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten habe dies gezeigt. Wahrheitspositionen könnten kaum noch bezogen werden, ohne unmittelbar relativiert zu werden. Das nehme sowohl Medien, Politik und Kirche als auch der Wissenschaft ihre Argumentationskraft.
Eine umso größere Bedeutung komme heute hingegen den Gefühlen und Ängsten der Bürger zu. Sternberg forderte von öffentlichen Akteuren, diese zwar ernst zu nehmen, sie aber nicht einfach zu bedienen. Politiker und Journalisten sollten sich kritisch mit Ängsten auseinandersetzen und nach den rationalen Gründen fragen, sagte er: „Die Themen sind mehr und mehr in den Bauch gerutscht. Jetzt besteht die Aufgabe darin, sie wieder in den Kopf zu holen.“
Besonders besorgt zeigte sich Sternberg über die Tonlage in vielen Debatten. Er berichtete von zahlreichen feindlichen und hasserfüllten E-Mails, die ihn persönlich in den vergangenen Monaten erreicht hätten. Dies habe er bis dahin so nicht für möglich gehalten, sagte Sternberg. „In einer Nachricht wurde mir damit gedroht, mir wegen einer angeblichen politischen Äußerung die Kehle durchzuschneiden.“ Das Schreiben habe er an die Polizei weitergeleitet. Solche „Entgleisungen“, so der ZdK-Präsident, würden vor allem durch die Anonymität im Netz ermöglicht.
Doch auch politische Akteure überschritten mittlerweile bewusst und gezielt Grenzen in den öffentlichen Debatten, sagte Sternberg. Dies sei eindeutig ein Teil der Strategie der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD): „Sie brauchen die Skandale, weil sie damit auf die Titelseiten kommen. Das Schlimmste, was der AfD passieren kann, ist es, dass sie auf den rationalen Boden geholt wird.“
Mit dem jährlichen Görres-Abend erinnert die katholische Journalistenschule ifp zusammen mit der Görres-Gesellschaft an den katholischen Journalisten und Lehrer Joseph Görres (1776-1848). Der von ihm gegründete Rheinische Merkur war eine der einflussreichsten Zeitungen seiner Zeit. Die letzte Ruhestätte fand Görrres auf dem Alten Südlichen Friedhof in München. Wenige Meter entfernt lernen heute im ifp junge Frauen und Männer den Beruf des Journalisten.
Text: Christoph Wiesel (Stipendiat 2015)