Europawoche 2018: Die Brüssel-Versteher
Fragen, präzise Fragen, Nachfragen: So macht Politikberichterstattung Spaß
Von Studienleiterin Isolde Fugunt
Brüssel im Juni 2018 - Schafft es die EU, bis Ende Juli die große Reform der Migrationspolitik zu präsentieren? Was hält man in Brüssel von den Reformvorschlägen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel? Wie stellt sich das NATO-Bündnis gerade neu auf?
Drei Fragen, 18 Einschätzungen. Am letzten Tag der Europawoche 2018 stehen die Stipendiaten und Volontäre im ZDF-Studio und sollen ihre Einschätzung zu Brüsseler Themen geben. Aufsager nicht auswändig lernen, bei Versprechern einfach weitermachen und immer freundlich in die Kamera schauen, rät Korrespondent Stefan Leifert. Vier Tage voller Gespräche mit Abgeordneten, Kommissionsmitarbeitern, Lobbyisten und Ratsmitarbeitern liegen hinter ihnen. Einer der spannendsten Gesprächspartner: Botschafter bei der EU, Reinhard Silberberg, der erzählt, warum er weiterverhandelt auch wenn ein Kompromiss unmöglich erscheint.
Die großen Linien der aktuellen Brüsseler Politik hatte zu Beginn der Woche politico-Reporter Florian Eder für die Teilnehmer skizziert. Die Verhandlungen um ein neues Asylsystem steckten fest, die Eurozone müsste dringend reformiert werden, mögliche Spitzenkandidaten positionierten sich für die Europawahl 2019 und erste Entwürfe für den EU-Haushalt von 2021-27 lägen auf dem Tisch. Diese vier Themen bestimmten die Gespräche der folgenden Tage.
Zum Abschied gab Florian Eder den Journalistenschülern noch einen Rat mit auf den Weg: Man kann sich in Briefings wunderbar berieseln lassen, aber fragt lieber, was Euch interessiert. Klingt logisch? Das fanden sie auch und mauserten sich zu Brüssel-Verstehern. Sie stellten Fragen, die zu beantworten meist sogar den Gesprächspartnern Spaß machte – auch wenn sie kritisch waren. Mit welchen konkreten Maßnahmen ist die EU in der Lage, Fluchtursachen zu bekämpfen? Was halten Sie von Angela Merkels Reformvorschlägen? Ist es wirklich Aufgabe der EU, ein Land wie Bayern zu fördern? Mit welchen Themen wollen Sie in den Wahlkampf ziehen? Sie hörten zu, machten sich Notizen und fragten nach, wenn sie etwas nicht verstanden hatten. Von Tag zu Tag konnten die Teilnehmer besser einschätzen, wer was entscheidet, wo die Konfliktlinien verlaufen und was passieren muss, damit Regeln vereinbart werden können. Häppchen-Journalismus? Gegessen haben die jungen Journalisten natürlich auch (von belgischen Fleischbällchen bis marokkanischer Tajine war alles dabei), aber Häppchen waren das nicht. Champagner-Politik? Belgisches Bier ist sehr lecker (natürlich erst nach Feierabend).
Im ZDF-Studio müssen sie nun ihre Eindrücke in Worte fassen. So viele Informationen haben sie in den Diskussionen erhalten, so viele Meinungen gehört. Viele Aussagen dürfen die Journalistenschüler nicht zitieren, trugen aber dennoch dazu bei, besser zu verstehen wie die EU tickt und wie die Stimmung ist. Zwar aufregend, aber nicht mehr allzu schwierig ist es nun, eine Einschätzung zu Stefan Leiferts Fragen im Studio zu geben: Im Juni wird die Migrationspolitik wohl nicht mehr entschieden, das NATO-Bündnis bröckelt wie das alte Gebäude, das sie gerade verlässt, und dass Angela Merkel die Geldpolitik eher nicht vergemeinschaften will, enttäuscht so manchen in Brüssel. Und damit zurück nach München.
Die Europawoche wird finanziell und organisatorisch durch das Europäische Parlament und die Europäische Kommission unterstützt. Zudem unterstützt der Förderverein des ifp die Reise finanziell.